Tränenfänger
Karin Mairitsch hat sich mit ihrem Projekt «Tränenfänger» die Verwundbarkeit menschlichen Daseins zum Thema gemacht. Artefakte wie Stofftaschentücher, Kleidungsstücke, Bettwäsche oder Stoffsäcke dienen ihr als Bildgrund, die das in Tränen entbundene Leid der Zeit zu fangen versuchen.
Ich möchte mich der Tränen annehmen und sie sichtbar machen. Ich möchte eine visuelle Sprache für das Leid unserer Zeit finden. Ich möchte systemische Mankos in ihrer Auswirkung auf das Individuum erfassen und ihnen ein Bild geben. Ich möchte Schattenseiten identifizieren und ans Licht bringen. Ich werde «Tränen fangen» …
In ihrer visuellen Sprache geht sie «ausdrücklich» vor, indem die formale Ausgestaltung in ihrer Erzählqualität lesbar bleibt. Dabei beschreibt sie selten persönliche Leiderfahrungen. Vielmehr beschäftigt sie sich mit Erzählfiguren politischen, gesellschaftlichen und historischen Ursprungs, die sie als einwirkende Kräfte auf das Individuum und als Schattenseiten einer von Instabilität, Intransparenz, Leere und Einsamkeit gekennzeichneten Welt enttarnt. Mairitsch greift je nach inhaltlicher Ausrichtung unter anderem auf Medienbilder zurück, die für sie Repräsentationen des kollektiven und kulturell geprägten Schmerzgedächtnisses sind.
Den visuellen Geschichten sind Sätze oder einzelne Worte beigestellt. Oft handelt es sich um Zitate von Personen, die sie um entsprechende Schilderungen gebeten hat. Gezielt lässt sie den im Deutschen am häufigsten verwendeten Buchstaben «e» aus, wodurch das Stocken, Stotternde und Abgehakte, in das eine Sprache des Leids gerät, nachgeahmt wird.
Tränen sind zart, farblos und flüchtigen Charakters. Entsprechend realisiert Mairitsch ihre «Tränenfänger» als Monotypien, Zeichnungen wie auch Schablonentechniken in Schwarz-Weiss mit Stofffarbe. Auf diese Weise gelingt ihr, sich der Buntheit zu entziehen und die Zartheit der Materialien beizubehalten. Die Flüchtigkeit ergibt sich in der Art der Hängung, wie die Stoffe scheinbar naturbelassen in Falten gelegt Teile des Bildgegenstands verbergen und damit eine Analogie zur Trauer herstellen, die selten in ihrer Komplexität erfasst werden kann. Die Inszenierung des Werkzyklus in einem nachgestellten, abgedunkelten Privatraum begünstigt den Eindruck, dass Trauer, Schmerz und Tränen gerne in intimer Atmosphäre, oft auch alleine und im Dunkeln verhandelt werden.
- akku kuntsplattform
- Gerliswilstrasse 23, CH-6020 Emmenbrücke
- 07.11.2020 - 22.11.2020
- Öffnungszeiten: Freitag & Samstag 14-17 h, Sonntag 10-16 h